366
Iv. Naturbilder.
und von schwärzlicher Leibesfarbe, und die
in Paris besonders angesehene zeichnet
sich durch eine grüne Farbe aus, während
die im rothen Meere wohnende Au-
ster in allen Farben des Regenbogens
prunkt. Ungleich andern Schalthieren
kann sich die Auster nicht von der Stelle
bewegen. Ihre einzige Bewegung be-
steht darin, daß sie ihr Gehäuse öffnet
und schließt, um die Nahrung zu em-
pfangen, die ihr die Wellen zutreiben,
und die in kleinem Seegewürm und in
zarten Meeralpen besteht.
Die Natur hat der Auster zwar
keine Augen gegeben, wohl aber eine
große Empfindlichkeit für den Wechsel
des Lichtes und darin die Fähigkeit,
sich gegen die meisten der vielen Feinde
zu schützen, die ihr nachstellen. Sobald
der Schatten eines sich nähernden Boo-
tes auf sie fällt, und ehe noch irgend
eine Bewegung des Wassers sie erreicht
haben kann, schließt sie ihre Schalen.
Dieses kann man am besten bemerken
in einem Seewasser-Aquarium, wo un-
sere Aufmerksamkeit namentlich die schö-
nen Wimpern der Auster fesseln, die
bei Weitem feiner sind als die zartesten
Spitzen eines Damenkleides. Die Größe
der Auster ist je nach den Jahren sehr
verschieden; wenn sie die eines Thalers
erreicht hat, so ist sie noch immer sehr
klein und zart und erst nach dem drit-
ten oder vierten Jahre reift sie für die
Tafel. Ihr Alter kann man aus der
Schale erkennen, die aus übereinander
geschichteten Blättern von kalkiger Sub-
stanz zusammengesetzt ist. Bis zur Zeit
der Reife des Thieres sind jene Blätter
oder Schichten regelmäßig übereinander
gelegt, später werden sie unregelmäßig,
so daß die Schale plump und unschön
aussieht. Es verhält sich also hiermit
ungefähr wie mit den Jahresringen der
Bäume. Nach der Dicke mancher Scha-
len zu urtheilen, wird oft eine Auster,
wenn sie ungestört bleibt, sehr alt,
wohl über hundert Jahre.
2. Die junge Familie der Auster setzt
sich vermöge ihrer schleimigen Substanz
an irgend einem Gegenstände auf dem
Meeresboden fest, wo sie verbleibt, bis
der Auster-Rechen oder ein anderer Stö-
renfried sie losreißt. Oft bilden die
vielen Millionen von Austern große
Austernbänke, die man in allen Meeren
der gemäßigten und heißen Zone an-
trifft, und die bisweilen eine solche
Höhe erreichen, daß Schiffe an ihnen
scheitern. Die größten fossilen Austern-
bänke, welche durch vulkanische Gewal-
ten vom Meeresgrunde heraufgehoben
worden sind, findet man an der West-
küste Amerikas. Aehnliches zeigen auch
die Gestade von Georgia, wo die Auster
außer der Wohlthat, die sie dem Men-
schen durch ihr nahrhaftes und wohl-
schmeckendes Fleisch erweis't, auch Tau-
sende menschlicher Wesen vor jenem Un-
glück bewahrt, welches die Bewohner
der schleswig-holsteinischen Westküste durch
die mächtigen Haffdeiche von sich und
ihren fetten Marschländern fern halten.
Wie hier, so besteht auch dort der Bo-
den meist bis auf weite Strecken land-
einwärts aus schwammigem Schlamm,
der außerordentlich fruchtbar ist, aber
dem Angriff heftiger Sturmfluthen bei
seiner weichen Beschaffenheit nur geringen
Widerstand entgegensetzt. Die Auster
hat sich aber dort nicht nur wie ein
gewaltiger Wasserbrecher zwischen das
Meer und das Land gelagert, sondern
umsäumt auch die Mündungen der Flüsse
und Bäche bis auf weite Strecken hinauf
und bis zur Höhe von 12—18 Fuß mit
einer Mauer von Millionen ihres Ge-
schlechtes. Die untern Schichten dieser
Schutzwälle sind natürlich ohne Leben,
da die hier liegenden Austern ihre Scha-
len nicht öffnen können, die obersten
dienen dagegen den in diesen Marschen
arbeitenden Negern bisweilen zu köst-
lichen Leckerbissen. Die Fluth spült
nämlich Massen derselben in das Gras
und Gestrüpp des Strandes. Während
der Ebbe aber eilt der schlaue Schwarze,
dieses Gestrüpp in Brand zu stecken, und
dann findet er das weite Aschenfeld mit
Tausenden gebratener Austern bedeckt.
Wo dies der Fall nicht ist, müssen sie
vermittelst eines Rechens, der von dem
Boote des Austernschiffes an einem Tau
oder einer Kette mit einem Sack von
Netzwerk in das Meer hinabgelassen
wird, aus dem Grunde heraufgeholt
werden. Die auf diese Weise gewon-
nenen Austern werden sofort in Tonnen
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420
Ii. Epische Dichtungen.
67. Kaiser Rudolf und der Freihart zu Nürnberg.
Von Karl Förster.
Der Kaiser zog zum Münsterthor
Und viel des Volks ihm nach;
Da trat ein Freihartsbub' hervor
Und zupft den Herrn und sprach:
„Herr Bruder, nicht so stark fürbaß!
Es ist noch einer hier!"
Der Kaiser schaut ihn an; der Spaß
Bedünkt ihm Frevel schier.
„Was ficht dich an? — Mein Bruder
du?
Ich kenne traun dich nicht!"
Der Freihart aber lacht dazu
Und blinzt ihn an und spricht:
„Ich denke so: der Kaiser stammt,
Wie ich, von Adam her,
Und sind wir Brüder allesammt,
Sind wir's auch, ich und er."
„Drum wollt Ihr — was die Zeit verbrach —
Ausgleichen baar und blank,
So theilt mit mir, und tilgt die Schmach,
Und nehmt dann meinen Dank."
Der Kaiser lacht und spricht: „Gesell,
Jetzt muß ich beten geh'n;
Schaff' einen Sack derweil zur Stell',
Dann laß uns weiter seh'n!"
Der Bub' eilt flink und flugs nach Haus
Und kehrt in vollem Lauf;
Da tritt der Herr zur Kirch' heraus
Und ruft: „Nun, Bursch', thu' auf!"
Der zieht den Sack die Läng' und Quer,
Ihm dünkt er noch zu klein;
Der Kaiser wirft — es klang nicht schwer —
Wirft einen Heller drein.
Und spricht: „Nun weiter Bursch! durch's
Reich;
Der Brüder sind noch mehr!
Gibt jeder dir dem ersten gleich,
Bist du so reich, wie der."
66. Die beiden Todten zu Speier.
Von J. Nep. Vogl.
1. Wie! Fackeltanz im Dome? Fusstritte dumpf hinab,
8' ist Kaiser Karl der Sechste, er steigt in der Ahnen Grab,
Er selber will es schauen, bei heller Fackelgluth,
Wie dort der Franke gefrevelt in frechem Uebermuth.
2. Und immer röther färbte seine Wang’ gerechter Grimm,
„Beim Himmel! Ihr Franzosen, was ihr gethan, ist schlimm!
Die Väter in den Särgen sieht er des Schmucks beraubt,
Die Krone abgerissen von manchem theu’ren Haupt.
3. Zertrümmert sind die Särge, die Deckel liegen um,
Und Leichentuch und Purpur zerfetzt im Staub ringsum,
Da blickt manch hohles Auge ihn gar gespenstig an,
Als wollt es zu ihm sagen: „Räch’ uns, lebend’ger Mann.“
4. Und fürder schreitet Karl, erfasst vom tiefsten Schmerz,
Der Fackelschimmer gleitet über der Särge Erz.
Nun steht er dort vor zweien, die sind zerschlagen gar,
Und die Gerippe drunter vermengt gar wunderbar,!
5. Er steht wohl tief erschüttert, die zwei, die kannt’ er gut,
Sie hassten sich im Leben, die hier zusamm’ geruht,
Nicht konnten sie bestehen, wo Licht und Lust besteht,
Es war des Kaisers Adolf und Albrechts Majestät.
6. Nun liegen sie zerbrochen, vermischt ihr los’ Gebein,
Von Keinem kann man sagen: der Knochen hier war sein;
Nur an dem einen Scheitel, gefurcht von grimmem Schlag,
Das Haupt des Kaisers Adolf man noch erkennen mag.
7. Und vor dem Staub der beiden der Kaiser lange steht,
Es ist ein heilig’ Ahnen, was seine Brust durchweht;
„Ja, ob auch Hass und Zwietracht auf Erden hier zu Haus,
Es löscht in jedem Herzen des Todes Hand sie aus.“
8. D’rauf manchen Kunsterfahrnen er hin zur Gruft beschied,
Und lässt dort den Gerippen anfügen Glied an Glied,
Und manch’ ein Bein des Adolf wird Albrechts Eigenthum
Und manch’ ein Bein des Albrecht des Adolf wiederum.
9. So liegen beide Feinde vereinigt nun gar sehr,
Der Adolf-Albrecht jener, der Albrecht-Adolf der;
So liegen sie und ruhen, bis die Posaune ruft, —
Kein Frevler stör’ hinfürder sie mehr in ihrer Gruft!
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Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Karl_Förster Karl Karl Karl Grimm Karl Karl Adolf Adolf Albrechts_Majestät Albrechts Adolf Adolf Adolf Albrechts Albrechts Albrecht Adolf
113. Aus: „Weisheit des Bramanen".
469
Wer halb und halb gesund, der mag nur krank sich nennen;
Und gar nicht kennen wir, was halb und halb wir kennen.
Wenn etwas Ganzes würd’ aus noch so vielen Halben,
Ganz gut! es wimmelt jetzt von Halben allenthalben.
Zu wenig und zu viel, ist beides ein Verdruss;
So fehl ist über’m Ziel, wie unter’m Ziel ein Schuss.
Zu wenig und zu viel ist gleich sehr unvollkommen;
Im Ernst ist und im Spiel das rechte Mass willkommen.
Der beste Edelstein ist, der selbst alle schneidet
Die andern, und den Schnitt von keinem andern leidet.
Das beste Menschenherz ist aber, das da litte
Selbst lieber jeden Schnitt, als dass es and’re schnitte.
Mein Prinz! die Schmeichler sind gefährlicher als Raben;
Die pflegen Todten nur die Augen auszugraben,
Indess der Schmeichler sie dem Lebenden entwendet
Und den Scharfsichtigsten mit falschen Künsten blendet.
Wer in der Jugend so hat das Gesicht verloren,
Erlangt’s nie mehr, und bleibt, als sei er blind geboren.
Verstand ist zweierlei: der ein’ ist angeboren,
Dein Wiegeneingebind und Malschatz unverloren.
Erst zu erwerben ist der and’re, zu ersparen,
Der mit den Jahren wächst durch Lernen und Erfahren.
Der zwei Verstände kann ein Mann entbehren keinen,
Und erst ein ganzer wird’s, wo beide sich vereinen.
Mein Sohn, du sollst dich nur, auf Strassen und auf Gassen,
Seh’n mit ehrbaren, mit geehrten Leuten lassen.
Die halbe Ehr’ ist dein, wenn man sich neigt vor ihnen;
Am Ende lernest du die ganze selbst verdienen.
Wenn es dir übel geht, nimm es für gut nur immer;
Wenn du es übel nimmst, so geht es dir noch schlimmer.
Und wenn der Freund dich kränkt, verzeih’s ihm, und versteh’:
Es ist ihm selbst nicht wohl, sonst that’ er dir nicht weh.
Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt,
Und den du nicht benutzt, den hast du nicht gelebt.
Und du auch stehst nie still, der gleiehe bist du nimmer,
Und wer nicht besser wird, ist schon geworden schlimmer.
Wer einen Tag der Welt nicht nutzt, hat ihr geschadet,
Weil er versäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnadet.
Sechs Wörtchen nehmen dich in Anspruch jeden Tag :
Ich soll, ich muss, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.
Ich soll ist das Gesetz, von Gott in’s Herz geschrieben,
Das Ziel, nach welchem ich bin von mir selbst getrieben.
Ich muss, das ist die Schrank’, in welcher mich die Welt
Von einer, die Natur von and’rer Seite hält.
Ich kann, das ist das Mass der mir verliehenen Kraft,
Der That, der Fertigkeit, der Kunst und Wissenschaft.
Ich will, die höchste Krön’ ist dieses, die mich schmückt,
Der Freiheit Siegel, das mein Geist sich aufgedrückt.
Ich darf, das ist zugleich die Inschrift von dem Siegel,
Beim aufgethanen Thor der Freiheit auch ein Riegel.
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28
I. Erzählungen.
nicht sein ganzes Auftreten die Leute
zur Barmherzigkeit stimmte. Also denkend,
legte er sein sorgenschweres Haupt an
die Linde, und gar sehr blutete sein
Herz bei dem Gedanken, daß er und
sein Hund mit leerem Magen in sein
schlichtes Kämmerlein gehen sollten. Die
Zeit, in der er einst als lebensfroher
Jüngling mit tausend Entwürfen, Hoff-
nungen und Wünschen in den Kampf
für sein Vaterland zog, in der er kühn
lmd muthig dem Tode, der aus lausend
Feuerschlünden ihm entgegensprühte, in's
Angesicht schaute, zog an ihm vorüber.
Der stille Beobachter würde an ihm eine
Begeisterung bemerkt haben, die deut-
lich zeigte, daß er gern in den Freiheits-
kampf gegangen sei. Doch als der Jnva-
llde seinen Stelzfuß betrachtete, der ihn
zu jeder Arbeit unfähig machte, da
fuhr er mit der magern Hand über das
gefurchte Antlitz und eine Wehmuth,
liur dem Leidenden verständlich, erfüllte
sein Herz und machte sich durch einzelne
Thränen Luft. So saß er mitten in dem
belebten Parke, mitten unter fröhlichen,
jubelnden Menschen einsam und verlassen
da, und ihre Freude schnitt noch tiefere
Wunden in sein Herz. Der Pudel, sein
einziger treuer Gefährte, schien die
Stimmung seines Herrn zu errathen,
und wedelnd sprang er zu ihm auf die
Bank. Da Niemand ihn beachtete, so
schickte der Invalide sich zur Heimkehr an.
Dort aber unter der andern gegen-
überstehenden Linde saß auf einer steiner-
nen Bank, den Hut in der Hand haltend,
ein junger Mann mit langem Haar,
einsam in sich gekehrt, wie der Invalide.
Sein tiefliegendes, scharfes Auge be-
trachtete den alten Musikanten mit dem
Hunde. Er hatte den schlechten Trost,
den derselbe seinem Hunde gegeben, ge-
hört, hatte auch die Thräne bemerkt, die
in den weißen Bart des Alten geflossen
war. Er ging zu ihm und redete mit
ihm. In wenigen Worten schilderte der
arme Soldat seine Lage, worauf der
junge Mann ihm einen Gulden in die
Hand drückte.
„Erlaubt Ihr mir wohl Eure Geige
auf ein halbes Stündchen? Vielleicht
bin ich glücklicher als Ihr," sprach der
Fremde. „Von Herzen gern, hier ist
sie," gab der Alte zur Antwort. „Gebt
dem Hunde wieder Euren Hut, ich werde
spielen und Ihr nehmt die Almosen,"
gebot der junge Mann. Der fremde
Herr nahm das alte Instrument, stimmte
es glockenrein und stellte sich neben den
Invaliden. Kaum hatte er aber einige
beliebte Stücke gespielt, so bildete sich
auch schon um den Geiger ein Kreis von
Zuhörern. Immer dichter schaarten sich die
Spaziergänger, immer schönere, zauber-
haftere Töne entlockte er der alten Geige,
so daß oft neugierig der Alte nachsah,
ob es auch seine Geige sei, der solche
Töne entströmten. Die musikliebenden
Wiener wurden wie mit einem Schlage
durch des Künstlers Spiel gefesselt.
Bald versetzte er durch ein Allegro seine
Zuhörer in Wonne und Jubel, bald
rührte er sie durch ein klagendes, schmelzen-
des Adagio zu Thränen. Wie mit dem
Stabe des Götterboten hatte er seine
Zuhörer eine halbe Stunde beherrscht,
da ging er in die Melodie eines bekannten
und beliebten Wiener Volksliedes über,
und die Tausende von Zuhörern fielen
singend ein.
„Wer ist dieser?" — fragte einer
den andern; allein Niemand kannte den
Künstler. „Was er wollte?" — nun
das war leicht zu errathen, und bald
erschlossen sich auch, wie es schon durch
die zauberischen Töne die Herzen gethan
hatten, die Geldbörsen der Herren und
Damen. Von allen Seiten flogen Geld-
stücke nach dem Hute des Kriegers, so
daß oft der Pudel, wenn er von einem
getroffen wurde, knurrend auffuhr.
Wieder glänzte eine Thräne in dem
Auge des Invaliden, aber es war eine
Dankes-, eine Freudenthäne. Nach so
reichlichen Spenden von allen Seiten
gab der Künstler die Geige wieder zu-
rück mit den Worten: „Hier, Herr College,
ist Ihre Geige," und bald war er, ehe
der Invalide Worte des Dankes finden
konnte, unter der Menschenmenge ver-
schwunden.
Die Sonne war längst hinter den
grünen Zweigen der Bäume versunken,
aber noch jubelte und frohlockte die
Menge im Prater.
„Hoch! Bravo! Es lebe der Künstler!
Es lebe seine Menschenfreundlichkeit, sein
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Das Buch.
lhjer nicht lieft, der lebt nicht; er ist nicht in der Welt. Wer
aber ein Buch in die Hand nimmt, der lasse sich sagen, was ein Buch
für ein Werk sei.
Ein Buch ist eine Brücke, über den Strom der Zeit geb.auet, darauf
wir die vor hundert und tausend Jahren Gestorbenen zu uns Lebenden
kommen sehen und unter uns wandeln, als lebten sie noch.
Ein Buch ist ein Band, um Alles, was lieft, geschlungen, und
stiftet eine geistige Lebensgemeinschaft, innig und umfassend zugleich, wie
nur wenig andere.
Die Kanfmannsschifse bringen Thee und Kaffee, Baumwolle und
Seide, Gold und Silber und Anderes viel, was wir für unsern Leib
brauchen; aber was wir für unsern Geist brauchen, davon er lebet, das
führen Bücher uns zu von nahe und fern.
Durch ein Buch spricht der Weise zu den Weisen und „die es werden
wollen, eh' sie greisen;" — spricht das erfahrne Alter zu der Jugend
und selbst zu Kindern, wenn sie lesen können.
Ein Buch zieht den Kleinen groß, bringt den Niedrigen empor und
erweitert einem jeden die Welt, daß er ferne Dinge zu sehen bekommt
und zu hören, wie jenseits der Berge und jenseits des Wassers auch
Menschen wohnen.
Ein Buch ist der Schwachen Schutz, der Gewaltigen Furcht; es
tröstet die Traurigen, leistet den Einsamen Gesellschaft und wo ihrer einige
beisammen sind, da findet sich eine so gewählte Gesellschaft, wie sie kaum
ein Fürst besser an seiner Tafel sieht.
1 *
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29. Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack.
49
mit dem Tischchen die Quere gehe. Er
probirte noch allerlei; aber es deckte sich
nicht wieder, und der Lange mußte wie-
der zum Hobel greifen und arbeiten,
daß die Schwarte krachte.
Unterdessen war der dicke Müller
auch aus der Lehre gekommen und wan-
derte fort in die Fremde. Und es fügte
sich, daß dieser ebenfalls denselben Weg
nahm, auch das nämliche kleine Männ-
chen fand und von ihm in Arbeit ge-
nommen wurde. Das Waldhaus war
aber jetzt eine Mühle. Als der junge
Mühlknappe eine Zeit lang brav, treu
und fleißig in Arbeit gestanden hatte,
schenkte ihm sein Meister zum Andenken
einen schönen Müllerlöwen und sprach:
„Nimm zum Abschied noch eine kleine
Gabe, die dir, obgleich ich dir deine
Arbeiten nicht mit Geld belohnen kann,
doch mehr nützen wird, als Gold und
Silber. So oft du zu diesem Eselein
sprechen wirst: Eselein, strecke dich! so
oft wird es dir Dukaten nießen!"
Fast öfter, als der Lange unterwegs
gesprochen hatte: „Tischlein, decke dich,"
sprach jetzt der Dicke: „Eselein, strecke
dich," und da streckte sich's und ließ
Dukaten fallen, daß es nur so rasselte
und prasselte. Es war eine allerliebste
Sache — die blanken Goldstücke. —
Aber auch der Müllergeselle kam mit
seinem Esel in die Herberge des schlauen
Wirthes, ließ auftafeln, bewirthete, wer
nur bewirthet sein wollte, und als der
Wirth die Zeche forderte, sprach er:
„Harret ein wenig, ich will nur erst *
Geld holen." Er nahm das Tischtuch
mit, ging in den Stall, breitete es über
das Stroh, darauf der Esel stand und
sprach: „Eselein, strecke dich!" — da
streckte sich der Esel und meßte und die
Dukaten klingelten nur so heraus; aber
draußen stand der Wirth, sah durch ein
Astloch der Thüre und merkte sich die
Sache. Am andern Morgen stand zwar
ein Esel da, aber nicht der rechte, und
der Dicke, keinen Betrug ahnend, setzte
sich heiler auf und ritt fort. Als er
zu seinem Vater kam, verkündete er ihm
auch sein Glück und sprach, als all' die
Seinen froh verwundert den Esel um-
standen : „Nun habt Achtung!" und zum
Esel sich wendend: „Eselein, strecke dich!"
Marschall. Lesebuch.
Das fremde Eselein streckte sich zwar
auch, aber von klingenden Goldstücken
war nichts zu sehen und zu hören. Der
Dicke wurde von Allen, denen er die
Kunst hatte sehen lassen wollen, fürchter-
lich ausgelacht; er schlug den Esel windel-
weich, schlug ihm aber dennoch keine
Dukaten aus der Haut, und mußte fortan
wieder arbeiten und im Schweiße seines
Angesichtes sein Brod essen.
Es war nun wieder ein Jahr ver-
flossen, und auch der Dumme hatte seine
Lehrzeit überstanden und zog als ein
wackerer Drechsler in die Fremde. Recht
mit Fleiß nahm er denselben Lauf wie
seine Brüder und wünschte sehr, bei
jenem kleinen Männlein auch in Arbeit
zu kommen, da dasselbe, wie die Brüder
erzählt hatten, in allen Fächern bewan-
dert war, in Handwerken, wie in Ge-
lehrtheit und Weisheit und auch so schöne
Sachen zu verschenken hatte. Richtig
gelangte auch der Drechslergeselle in den
gewissen Wald, fand die einsame Woh-
nung des Männleins und auch ihn nahm
es als einen fleißigen Burschen gerne
in Arbeit. Nach etlichen Monaten hieß
es jedoch wieder: „Lieber Gesell, ich
kann dich nun nicht länger behalten,
du hast jetzt Feierabend." Zum Abschied
sprach das Männlein: „Ich schenkte dir
gerne auch, wie deinen Brüdern, ein
schönes Andenken, aber was würde dir
das helfen, da sie dich den Dummen
nennen? Dein langer Bruder und dein
i dicker Bruder sind durch ihre Dummheit
um meine Gaben gekommen, was würde
es erst bei dir werden? Doch nimm
dieses schlichte Säcklein; es kann dir
sehr nützlich werden. So oft Du zu
ihm sagen wirst: Knüppel aus dem Sack!
so oft wird ein darin steckender wohlge-
drehter Prügel herausfahren zu deinem
Schutz, Deiner Wehr und Hülfe, und
dieser wird so lange aufprügeln, bis du
gebieten wirst: Knüppel in den Sack!"
Der Drechsler bedankte sich schön
und zog mit seinem Säcklein heimwärts;
er bedurfte jedoch auf seiner Reise die
Schutzwehr erst lange nicht, denn Jeder-
mann ließ ihn, der leicht und lustig
seine Straße zog, ungehindert fürbaß
wandern. Nur manchmal einem über-
gestrengen Herrn Bettelvogt gab er Eini-
A
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8
so bedeutend, daß, als im I. 118 v. Chr. die Völker-
heere der Cimbern und Teutonen durch die vorhin so
schützende Scheidewand des orkynischen Waldes hin-
durch brachen, dieselben nicht tiefer in das Land ein-
zudringen, sondern erst jenseits der Gränze desselben,
in Südosten, über die Donau zu setzen vermochten.
Uebrigens schloß sich auch diesem Zug der Völkerhau-
fen ein Heer der wanderlustigen Bojer: die Am-
bro ne n, geführt von B oj orix an, welches mit den
Teutonen zugleich der Kriegskunst der Römer unter;
lggi Besser wäre es allerdings gewesen, das krie-
gerische Volk wäre zum Schutz seines Landes daheim
-geblieben, wo jetzt Kräfte der Abwehrung mehr noth
thaten denn jemals friiherhin. Das kriegerische Schwert,
das die Bojer über so viele Völker in Süden wie im
fernen Osten geschwungen hatten, das brachten jetzt
andere Völker, von'norden her über ihr Haupt; ein
Heereszug der Deutschen nach dem andern brach aus
dem -wilden Dickig des orkynischen Waldes oder von
aydern Seiten her in das Land der Bojer herein.
Da hals bald kein Widerstreben mehr; das Volk des
Landes mußte der Uebermacht der Einwandrer fallen
und weichen oder ihrem Zuge sich anschließen; der
Landerstrich von dem Ursprung der Donau bis zum
Neusiedlersee wurde großentheils, bis auf den Rest
der Bevölkerung, der innerhalb der Mauern der Städte
oder in Wäldern und Bergen sich erhielt, zur men-
schenleeren Einöde. Auch Böhmen, den Bojern
entrissen, war von den deutschen Markomannen ein-
‘ genommen worden. , .
Dem Reiche der Römer selber drohte das be-
ständige Hereindringen der deutschen Völkerhaufen Ge-
fahr. Da beschloßen sie, seitdem im I. 16 v. Ehr.
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32
Schwaben, den Karl an die Stelle der vormaligen
Herzoge über das Land gesetzt hatte. Mehrere Fe-
stungen wurden genommen, der Feind, überall ge-
schlagen, zog sich bis über die Raab zurück, Gerold
wurde zum Herrscher über den neu eroberten Landstrich
ernannt. Bald erneuten jedoch die Avaren den Kampf
mit verdoppelter Wuth, obwohl nur zu ihrem größ-
ten Nachtheil. Denn im Jahr 796 drang ein Heer
der Franken und ihrer Verbündeten, geführt von Karls
tapfrem Sohne Pipin und von Erick, dem Herzog
von Friaul, so wie von Gerold dem Statthalter,
bis an die Theiß vor, und erstürmte hier jene un-
geheuren , aus Wällen gebildeten Ringe, in deren Jnn-
rem befestigte Schlößer und viele Ortschaften sammt
der Burg des Oberherrschers oder Khans lagen.
Hier fanden sich alle die Schätze aufgehäuft, welche
die Avaren seit mehreren Menschenaltern aus allen
von ihnen durchzogenen Ländern, besonders aus dem
griechischen Kaiserreich zusammen geraubt hatten. Durch
diese Beute wurden die Herrscher der Franken, welche
vorhin arm gewesen, reicher als alle damalige Könige
des Abendlandes, während sich auch zugleich das Ge-
biet ihrer Herrschaft bis zum Raabfluß erweiterte.
In diesem Gebiet, das unter Gerolds Obhut stund,
so wie jenseits der Theiß hausten noch immer ein-
zelne Schwärme der Avaren, welche im I. 799 noch
einmal zum gemeinsamen Aufstand sich erhüben. Der
Kampf, bey welchem Erick so wie Gerold, der
Letztere von einem Pfeile getroffen, und mit ihnen
zugleich viele Tapfere des Christenheeres fielen, war
furchtbar, er endigte jedoch mit einer fast gänzlichen
Vernichtung der Avaren, deren letzte Reste, zwischen
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Gerold Karls Gerold Gerold
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heit gekämpft zu haben, kam dennoch, in andrer
Hinsicht dieser Türkenkrieg dem Lande hoch zu stehen.
Die Kassen waren erschöpft, die Verbindung Max
Emanuels mit einer österreichischen Kaisertochter,
so annehmlich sie für den Ehrgeitz des jungen Fürsten
erscheinen mochte, wurde nachmals, in ihren Folgen,
nur die Quelle eines großen Unglückes für Bayern.
Von dem Türkenkriege hinweg, wurde Max
Emanuel zu jenem Krieg am Rhein gerufen, den
ein eben so großer Feind der europäischen Ruhe, als
der Großsultan war, Ludwig Xiv. aus nichtigem
Vorwand angefangen hatte. Dieser unersättlich herrsch-
süchtige König wollte das Erbland des Pfalzgrafen
Karl, mit welchem im I. 1685 die männliche Li-
nie des Böhmenköniges Friedrichs V. ausgestorben
war, mit Gewalt an sich reißen, obgleich der recht-
mäßige Erbe davon Philipp Wilhelm von Pfalz-
Neuburg war. An dem Kampfe gegen den unge-
rechten Feind mußte auch Bayern Theil nehmen.
Doch kamen zu diesem auch für das Wohl unsres Va-
terlandes ungünstigen Ereigniß bald noch mehrere an-
dre, welche von noch beklagenswertheren Folgen wa-
ren. In Spanien herrschte damals König Karl Ii.,
dieser war kinderlos, seine nächste Erbin war seine
jüngere Schwester Margaretha Theresia, oder
ihre Tochter Maria Antonia, welche sie dem Kai-
ser von Oesterreich geboren hatte. Obgleich diese
Prinzessin vor ihrer Vermählung allen Erbansprüchen
hatte entsagen müssen, blieb dennoch ihrem und
Max Emanuels Sohne, dem jungen Prinzen Jo-
seph Leopold, ein natürliches Erbrecht auf die
spanische Krone. Auch schien dieses der König von
Spanien selber andeuten zu wollen, durch die Be-
. 8
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Extrahierte Personennamen: Max
Emanuels Max Max
Emanuel Max Ludwig_Xiv Ludwig Karl Karl Friedrichs_V. Philipp_Wilhelm Philipp Wilhelm Karl_Ii Karl Margaretha_Theresia Theresia Maria_Antonia Maria Max_Emanuels Max Leopold Leopold
1863 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
Autor: Solereder, Ludwig, Eggert, Karl
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
erwärmtes Bett zu legen, damit das durch Mund und Nase
eingedruugene Wasser nicht das Athmen erschwere. Dann
mußten wollene Tücher gewärmt und ans den erkalteten Körper
gelegt werden. Die Herzgrube und die Gegend, wo die Lunge
liegt, wurde beständig mit solchen Tüchern gerieben. Als dies
nicht Helsen wollte, ließ sich der Arzt eine Feder und ein Licht
geben und zündete die Feder unter der Nase des Ertrunkenen
an, damit derselbe durch den heftigen Gestank zum Niesen ge-
bracht werde. — Dieser Versuch hatte endlich die gewünschte
Wirkung; der Athen: regte sich wieder in der Brust des Kna-
den, und da man mit dem Reiben fleißig fortfuhr, so kam
bald wieder Wärme in die Glieder, und der Todtgeglaubte
schlug die bisher halboffenen Augen ganz aus.
Wie freute sich da die gute Schwester, wie der brave
Mann, wie alle Leute, welche umherstanden!
Curtman.
74. Ein schweres Räthsel.
Auf uns’rer Wiese gehet was,
Watet durch die Sümpfe,
Es hat ein weisses Jäcklein an,
Trägt auch rothe Strümpfe,
Fängt die Frösche schnapp, wapp, wapp,
Klappert lustig klapper die klapp —
Wer kann das errathen?
Ihr denkt, es ist der Klapperstorch,
Watet durch die Sümpfe,
Er hat ein rothes Jäcklein an,
Trägt auch rothe Strümpfe,
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